„Wer von Ihnen hat schon einmal Gewalt oder Kriminalität erlebt?“, fragte Moderator Alexander Kain zu Beginn der Podiumsdiskussion „Wie sicher ist unsere Heimat?“ gestern Nachmittag im Großen Rathaussaal die Zuschauer. Gut die Hälfte der Hände ging nach oben. „Und wer hat den Eindruck, dass die Sicherheit bei uns schlechter geworden ist?“, legt Kain nach. Keine Hand ging nach oben.
Auch wenn der Zuschauerraum nur spärlich besetzt war – für die Organisatoren von vhs und WEISSEM RING überraschend, da die vorangegangene Telefonaktion, bei der Bürger ihre Anliegen äußern konnten, ein hohes Interesse am Thema gezeigt hatte – diskutierten auf dem Podium Oberbürgermeister Jürgen Dupper, stv. Landrat Raimund Kneidinger, Alfons Rösser von der Kripo Passau, Julia Stern vom Kinderschutzbund und Hildegard Stolper vom Frauenhaus Passau eine gute Stunde lang über Gewalt und die Sicherheitslage in der Region.
Dr. Christian Baumgartner vom WEISSEN RING machte in seiner Begrüßung den Unterschied zwischen subjektivem und objektivem Sicherheitsempfinden deutlich. Rein subjektiv, das zeigte dann auch der erste Wortbeitrag von Alfons Rösser, ist die Sicherheitslage in und um Passau gut. Die Statistik zeigt in einigen Deliktsbereichen punktuell Anstiege, aber: bei uns braucht keiner Angst haben, dass er an der nächsten Ecke Opfer einer Straftat wird.“
Julia Stern vom Kinderschutzbund stellte heraus, dass Gewalt viele Dimensionen habe, auch Vernachlässigung oder psychischer Druck auf Kinder gehören dazu. Die „Watsch’n“ als Erziehungsmittel, die viele heute Erwachsene selbst als Kind gelegentlich kassiert haben, sei heute verpönt. „Wenn es zu körperlicher Gewalt kommt, dann aus einer Überforderungssituation heraus, wenn Eltern keinen anderen Ausweg mehr sehen.“ Hier sei Präventionsarbeit wichtig, um solche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Extreme Beispiele von Gewalt begegnen Hildegard Stolper bei ihrer Arbeit im Frauenhaus. Sie beobachte einen deutlichen Anstieg, sagte sie: „Auch unser gerade eingeweihtes, größeres Frauenhaus ist schon wieder komplett voll. Man kann es kaum glauben, wie gewalttätig und grausam manche Männer mit ihren Frauen und Kindern umgehen.“ Betroffen seien Familien aus allen Schichten: „Häusliche Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Gesellschaft.“
Sowohl Alfons Rösser als auch stv. Landrat Raimund Kneidinger monierten eine allgemeine Verrohung der Gesellschaft und mangelnden Respekt vor Autoritäten. Im Landratsamt gibt es daher bereits Schulungen für die Mitarbeiter, in denen das Verhalten in Konfliktsituationen angesprochen wird. Außerdem habe das Landratsamt die Themen Jugendsozialarbeit und häusliche Gewalt zunehmend im Fokus.
Die Stadt Passau, sagte Oberbürgermeister Jürgen Dupper, leiste ihren Beitrag zum subjektiven Sicherheitsgefühl durch Konsequenz in der Verfolgung von Anzeigen. „Wenn man da nachlässig wird, dann ebnet man den Weg für rechtsfreie Räume – und das wollen wir nicht.“ Das gehe schon bei Schmierereien und anderem Vandalismus los. Er kündigte an, einen zusätzlichen Streetworker einzustellen und auch das umstrittene Thema Videoüberwachung solle ausgebaut werden. Zur Personalproblematik bei der Polizei, die auch Thema war, sagte Dupper: „Ich habe schon lieber mehr Polizisten als mehr Gesetze.“
Peter Kratzer von der vhs kündigte die Kursreihe „Selbstsicherheit, Selbstverteidigung & Coaching“ an, die ab Januar für verschiedene Zielgruppen stattfindet. Nähere Informationen bei der vhs.